1313 Stimmen

Sollte das 9-Euro-Ticket weitergeführt werden?

Frage von Trip To Paradise | 22.08.2022 um 23:12

Der August neigt sich dem Ende zu und damit auch die Zeit des 9-Euro-Tickets. Anfangs noch von vielen kritisiert ist das Ticket inzwischen stark in der Beliebtheit der Deutschen gestiegen. Nur die Politik scheint noch nicht ganz in der Realität angekommen zu sein.

Zum ersten Mal ist es in Deutschland möglich ohne Tarifdschungel und ohne künstliche Städte- und Landesgrenzen zu einem Preis, den sich jeder leisten kann, den ÖPNV zu nutzen und damit am Leben teilzuhaben! Alles schreit nach einer Weiterführung, nur die Politik stellt sich quer.

Die Argumente der Politiker gegen eine Weiterführung kann ich nicht nachvollziehen und halte sie für vorgeschoben. Meine Meinung zu den typischen Gegenargumenten ist:

  • Das 9-Euro-Ticket wird hauptsächlich für die Freizeit genutzt und verfehlt damit seinen Zweck, die Pendler zu entlasten. Schauen wir uns doch einmal die Monate an, in denen das Ticket eingeführt wurde: Juni, Juli, August. Es sind die klassischen Urlaubsmonate und die Monate der Sommerferien. Mal abgesehen davon, dass ich genug Leute kenne, die das 9-Euro-Ticket auch für den Weg zur Arbeit genutzt haben, wen kann es ernsthaft wundern, dass das Ticket in der Ferienzeit während viele gar nicht arbeiten auch für Freizeitfahrten genutzt wird? Und abgesehen davon, wieso ist das überhaupt ein Problem? Können wir als Gesellschaft nicht stolz darauf sein, wenn die Oma mit ihrer mageren Rente es sich wieder leisten kann, ihre Enkel in einem anderen Bundesland zu besuchen?
  • Das 9-Euro-Ticket führt zu vollen Bahnen und Ausfällen. Wer denkt, dass das mit dem 9-Euro-Ticket zu tun hat, ist wohl vor Einführung des 9-Euro-Tickets noch nie mit Bus und Bahn gefahren. Jeder Bahnfahrer weiß, dass die Bahnen zu bestimmten Zeiten voll sein können und kalkuliert Verspätungen und Ausfälle mit ein. Dies alles sind strukturelle Probleme, die nichts mit dem 9-Euro-Ticket zu tun haben und vor Einführung des Tickets schon genau so bestanden. Die Probleme sind nur vermehrt in den Fokus geraten, weil das 9-Euro-Ticket so viele Menschen auf die Schiene gelockt hat, die vorher nie mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs waren und sich wohl die alltäglichen Probleme von ÖPNV-Pendlern nicht vorstellen konnten.
  • Bus und Bahn können durch 9 Euro pro Ticket nicht finanziert werden. Dieses Argument ist schon bewusste Irreführung der Bevölkerung. Hier wird die Bevölkerung indirekt in den Glauben versetzt, dass das frühere Preissystem kostendeckend war. Jeder der dieses Argument nachplappert sollte sich einmal informieren, welche Einnahmen durch die Ticketverkäufe erwirtschaftet werden und wie viel der öffentliche Nahverkehr wirklich kostet! Selbst mit den alten teuren Tickets konnten nur 25 bis 50 % der Kosten gedeckt werden (nachzulesen zum Beispiel hier auf den Seiten des Bundestages). Die Realität ist, dass der öffentliche Nahverkehr schon immer ein Zuschussgeschäft war. Würde man die Preise wirklich an die tatsächlichen Ausgaben anpassen, würden die Verkehrsunternehmen noch rotere Zahlen schreiben, weil sich noch weniger Menschen die Tickets leisten könnten. Aus dieser Perspektive betrachtet ist es meiner Meinung nach bei dieser ohnehin schon geringen Kostendeckung durch die herkömmlichen Ticketpreise völlig unerheblich ob nun noch wenige Prozente mehr bezuschusst werden müssen. Zumal durch die gestiegenen Fahrgastzahlen auch die Ticketerlöse des Neun-Euro-Tickets höher sind, als würde man die herkömmlichen Fahrgastzahlen als Basis nehmen.
  • Wenn wir das Ticket weiterführen, müssen andere Privilegien abgeschafft werden. Die Politik scheint sich wirklich für kein Argument zu schade zu sein. Eine derartige Begründung habe ich komischerweise bisher noch bei keiner anderen staatlichen Bezuschussung gehört. Oder gab es in der Geschichte von Deutschland schon einmal eine Regierung mit Argumenten wie "die Sozialausgaben sind gestiegen, jetzt bekommt jeder Sozialhilfeempfänger weniger" oder "wir geben gerade ungeplant so viel für Krieg aus, jetzt müssen wir Hartz IV abschaffen um die Kriegsausgaben auszugleichen"? Ich wüsste nicht. Wieso dann beim 9-Euro-Ticket?
  • Die Leute auf dem Land bezahlen das Ticket für die Städter. Angeblich soll es ungerecht sein, dass Leute, die in Gegenden mit schlechteren ÖPNV-Angeboten wohnen durch ihre Steuergelder das Ticket für die Städter mitfinanzieren. Das ist auch so ein Argument, das ich bisher nur im Zusammenhang mit dem Neun-Euro-Ticket gehört habe. Ist das der Anfang von einem neuen Steuersystem in dem jeder noch das mit seinen Steuergeldern bezahlt, was er letztendlich auch nutzt? Was ist mit steuerfinanzierten Radwegen, wenn ich gar kein Fahrrad fahre? Wieso werden Straßen und Autobahnen auch durch Steuergelder von Menschen, die gar kein Auto haben, finanziert? Was ist mit Steuergeldern für Schulen von Kinderlosen? Müssen Menschen noch Steuern für die Feuerwehr bezahlen, bei denen es noch nie gebrannt hat? Und wieso sollten Steuergelder von arbeitenden Bürgern irgendwelchen Arbeitslosen gegeben werden, die die zahlenden Bürger gar nicht persönlich kennen? Dieses Argument ist einfach nur absurd, zumal es das Stadt-Land-Gefälle bei jeder Art von Infrastruktur oder sonstigen städtischen Einrichtungen und Versorgungen gibt. Und auch der am weitesten weg wohnende Landbewohner kommt irgendwie zum nächstgelegenen Bahnhof und kann von dort aus für längere Reisen von dem Ticket profitieren. Die Landbewohner profitieren von dem 9-Euro-Ticket somit mehr als wenn ihre Steuergelder in die städtische Infrastruktur fließen, von denen sie gar nichts haben.

Ich spreche mich ganz klar für die Weiterführung des 9-Euro-Tickets aus. Die Gegenargumente finde ich scheinheilig und sie lenken meiner Meinung nach nur von einer vernünftigen Diskussion über das Ticket ab. Ich bin gespannt auf eure Meinungen. Sollte das Ticket weitergeführt werden und falls ja in dieser bewährten oder in einer anderen Form?

AntwortenPositivNegativDatumStimmen
22 Stimmen

Das 9-Euro-Ticket sollte genau in dieser Form weitergeführt werden.

Alle Vorschläge, das Ticket abzuändern wäre kein 9-Euro-Ticket mehr und würde gerade die Vorteile dieses Tickets zunichte machen.

Zum Beispiel dieser Vorschlag, das Ticket bei einer Weiterführung nur noch für ein Bundesland anzubieten. Auf so eine Idee kann eigentlich nur jemand kommen, der in der Mitte eines großen Flächenlandes wohnt. Was nützt solch ein begrenztes Ticket, wenn man an der Grenze zu einem oder mehreren Bundesländern wohnt? Oder wenn man in einem kleinen Bundesland wie Bremen wohnt? Wieso sollte ein Bremer, der mit dem Ticket nur in seiner eigenen Stadt herumfahren darf genauso viel zahlen wie jemand aus Nordrhein-Westfalen, der in ganz NRW unterwegs sein kann? Die Bundesländer sind überhaupt nicht miteinander vergleichbar und das Besondere am 9-Euro-Ticket ist ja gerade, dass es keine Tarifgrenzen mehr gibt. Mit solch einem Vorschlag würde man die Tarifgrenzen wieder einführen.
23.08.2022 um 17:38

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11 Stimme

Ich bin da ganz deiner Meinung. Es muss bei einem bundesweiten Ticket bleiben, alles andere wäre ungerecht und würde neue Probleme schaffen.

Zu diesem Thema höre ich manchmal von denen, die vor einem bundesweiten Ticket Angst haben, die Meinung, dass man allzu weite Fahrten quer durch Deutschland verhindern müsse. Das sind dieselben Leute, die Angst davor hatten, dass Sylt wegen des Tickets untergehen wird.

Und was ist passiert? Nichts. Die handvoll Punks, die sich nach Sylt verirrt hatten, hatten irgendwann auch keine Lust mehr und sind abgezogen. Meiner Meinung nach sind diese Punker sowieso erst auf die Idee gekommen nach Sylt zu fahren, weil das Thema so durch die Medien ging und ständig irgendwelche Vertreter der Sylter High Society zu Wort gekommen sind, die ihre Angst geäußert haben, einmal Besuch von Normalsterblichen zu bekommen.

Solche Dinge macht man einmal, dann sind sie nicht mehr witzig. Von daher würden sich solche Eskapaden bei einer dauerhaften Verfügbarkeit des Tickets schnell ablutschen und in den Hintergrund treten. Niemand hat die Zeit und die Lust dauerhaft quer durch Deutschland zu touren und den ganzen Tag auf 16-Stunden-Fahrten im Zug zu verbringen. Aber man hätte die Möglichkeit dazu für die 2 Fahrten im Jahr, wenn man wirklich mal eine sehr lange Strecke fahren muss.
23.08.2022 um 20:18

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22 Stimmen

Da haben wirs: Christian Lindner hat heute seine neue Steuerschätzung bekannt gegeben und rechnet mit 126,4 Milliarden Steuern mehr als erwartet. Da ist doch das Geld, was angeblich für das Ticket fehlt!

Quelle: Zum Beispiel hier (Handelsblatt) oder hier (ZDF).
28.10.2022 um 23:49

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33 Stimmen

49 Euro für ein Deutschland-Ticket als Nachfolger des 9-Euro-Tickets sind ein Witz!

Angemessen wäre ein 9-Euro-Ticket für den deutschen Nahverkehr und ein 49-Euro-Ticket für ganz Europa beziehungsweise die EU und den deutschen Fernverkehr.

So weit sind wir aber leider noch lange nicht. Solange sich die EU lieber um die Normung von Bananen und Glühbirnenverbote kümmert anstatt um die Belange ihrer Bürger wird sich das auch so schnell nicht ändern.
29.11.2022 um 11:36

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22 Stimmen

Was ich in dieser Diskussion vermisse ist, dass die Bahn doch ihr Premiumsegment in Form ihrer IC- und ICE-Züge bereits hat. In diesem Premiumsegment muss das Geld verdient werden, nicht im Zuschussbetrieb Nahverkehr.

Gerecht wäre es, wenn man den armen Leuten den Nahverkehr für 9 € (oder besser noch völlig kostenlos) überlässt und dafür entsprechend höhere Preise im Fernverkehr verlangt.

Nur so wird es möglich, dass die arme Familie zum Beispiel auch mal ans Meer fahren kann und in einen Urlaubsgenuss kommt, den sie sich sonst in ihrem Leben niemals leisten könnte. Dafür würde auch ich die 6-stündige Zugfahrt im Regionalexpress gerne in Kauf nehmen. Wer es schneller haben will oder für wen Zeit Geld ist, kauft sich dann halt das teurere Ticket für den ICE - und alle sind glücklich.
31.01.2023 um 17:46

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11 Stimme

Ich finde, in der Diskussion um das Deutschland-Ticket zeigt sich mal wieder perfekt, wie engstirnig und dumm die Leute hierzulande leider sind.

Ich möchte nur ein Beispiel dafür geben: In meiner Tageszeitung gab es einen Leserbrief, in dem eine Frau behauptet hat, ein Ticket für das Bundesland NRW würde ihr ausreichen, ein deutschlandweites Ticket wäre unnötig. Die Dame kam aus Essen.

Essen! Gelegen in der Mitte des größten Bundeslandes Deutschlands! Klar braucht diese Dame kein Deutschland-Ticket! Sie hat ja das einzigartige Privileg in Essen zu wohnen von wo aus sie in alle Himmelsrichtungen mehr als 2 Stunden mit dem Zug ausschwärmen kann ohne dabei NRW zu verlassen!

Hat diese Dame einmal daran gedacht, dass nicht jeder so wohnt? Was ist mit den Menschen, die in den kleineren Bundesländern wohnen? Oder mit den Menschen die an der Grenze von NRW wohnen? Wer am östlichen Rand von NRW wohnt könnte mit einem NRW-Ticket zwar 250 km in den Westen fahren, nicht aber in seine Nachbarstadt, weil die zufälligerweise in Hessen oder Niedersachsen liegt.

Solange die Menschen weiter immer nur kurzsichtig aus ihrer eigenen privilegierten Perspektive heraus klein denken wird es niemals besser werden!
27.02.2023 um 10:56

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00 Stimmen

Können wir als Gesellschaft nicht einfach stolz darauf sein, wenn sich die verarmte Oma mit ihrer mageren Rente wieder leisten kann, vielleicht das letzte Mal ihre Enkel in einem anderen Bundesland zu besuchen?

Genau solche Menschen habe ich getroffen, als ich mit dem 9-Euro-Ticket in Deutschland unterwegs war. Unvergessen auch die leuchtenden Kinderaugen, die zum ersten Mal das Meer gesehen haben! Eine Familie, die sich vorher noch nie einen Urlaub leisten konnte!

Besagte Familie müsste mit dem 49-Euro-Ticket (mal ganz abgesehen von den weiteren Problemen durch die Abo-Phantasien) fast 250 Euro für die Fahrkarten ans Meer hinblättern, das ist definitiv nicht drin! Aber so etwas können sich unsere Politiker mit ihren steuerfinanzierten Traumgehältern und sonstigen Privilegien vermutlich gar nicht vorstellen.
27.02.2023 um 22:04

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11 Stimme

Ich finde man merkt auf jeden Fall, dass das 49€-Ticket sich an Pendler richtet. Familien oder andere, die keinen "sinnvollen Beitrag" für die Gesellschaft leisten, werden meiner Meinung nach ausgeschlossen.

Persönlich finde ich, dass man einen ganz anderen Ansatz wählen sollte. Luxemburg hat es zum Beispiel ermöglicht, dass der öffentliche Nahverkehr für alle kostenlos ist.
08.05.2023 um 12:34

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00 Stimmen

Man müsste vielleicht wissen womit Luxenburg das rechtfertigt und wie es das praktisch strukturiert hat, dass OPNV 'kostenfrei für alle' ist.

Sind mit alle nur die lux staatsbürger gemeint?
13.07.2023 um 00:36

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