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Deutsche Bank reduziert massiv Funktionen und Bedienbarkeit ihres Online-Bankings

Review von NetLabel | 03.09.2025 um 21:37

Als ich den Brief der Deutschen Bank im Juli in meinem Briefkasten fand, hatte ich schon ein sehr ungutes Gefühl. Mein Banking sollte "einfacher" und "komfortabler" werden, so die Ankündigung. Doch was ich dann bei meinem ersten Login in das Online-Banking erleben musste, übertraf selbst meine schlimmsten Erwartungen. Diesen ersten Eindruck möchte ich heute mit euch teilen.

Zuerst habe ich mich gar nicht getraut, mir das neue Banking anzusehen und nach dem 25. August zunächst ein paar Tage gewartet, um nicht gleich enttäuscht zu werden. Man kennt schließlich derartige "Umstellungen" von anderen Firmen und typischerweise enden diese meist in einer bitteren Enttäuschung über verloren gegangene Funktionen und den verzweifelten Versuchen, diese Verluste irgendwie auszugleichen. Dann habe ich es aber doch getan.

Gänzlich entfernte Funktionen

Kommen wir als erstes zu einer Auswahl von Funktionen, die im neuen Online-Banking ersatzlos gestrichen wurden.

  • Cash Flow Projektion: Die erste Funktion, nach der ich gezielt im neuen Online-Banking gesucht habe ist meine liebgewonnene Cash Flow Projektion des alten Online-Bankings. Irgendwie hatte ich schon im Gefühl, dass diese Funktion das neue Banking nicht überleben wird. Und mein Gefühl wurde bestätigt. Mit der Cash Flow Projektion war es früher möglich, die erwarteten Erträge für zukünftige Monate vorherzusagen. Diese Funktion war auch der Grund, wieso ich Anleihen grundsätzlich ausschließlich bei der Deutschen Bank gekauft habe, selbst wenn die Ordergebühren bei anderen Banken günstiger waren. Einfach nur, um die Zinszahlungen der Anleihen übersichtlich in meiner Cash Flow Projektion zu haben. Dieser Grund fällt nun leider weg.
  • Umsätze von Einzelaktien: In der alten Vermögensaufstellung reichte ein Klick auf den Bestand einer Aktie oder Anleihe, schon wurde eine Umsatzliste aller Umsätze, die dieses Wertpapier betreffen, generiert. Diese Funktion habe ich sehr oft genutzt, um zum Beispiel die Dividendenentwicklung, meine Kaufzeitpunkte, meine Kaufkurse oder meine historischen Bestände einzusehen. Leider ist auch diese Funktion Opfer des neuen Bankings geworden. Ich habe in der neuen Vermögensaufstellung (heißt nun "Bestand") überall gesucht, man erhält aber lediglich allgemeine Angaben. Ich weiß noch, wie ich mich früher darüber geärgert habe, wenn eine Aktie ihre WKN geändert hat und dadurch nicht mehr über diese Funktion aufrufbar war. Heute wären diese Luxusprobleme ein Traum.
  • Gruppierung der Vermögensaufstellung: Das alte Online-Banking enthielt unter "Gliederung nach" die Möglichkeit, seine Aktien, Anleihen und sonstigen Wertpapiere gruppiert nach bestimmten Kategorien aufzulisten, zum Beispiel nach Branche/Restlaufzeit. Das schöne der alten Funktion war, dass diese Einstellung gemerkt wurde und auch nach einem Login noch zur Verfügung stand. Im neuen Banking habe ich diese Funktion zwar im Bereich "Filter" wieder gefunden, aber gemerkt wird sich die Einstellung leider nicht mehr. Das heißt, um eine übersichtliche Liste zu behalten, ist immer wieder eine neue umständliche Eingabe erforderlich. Und wir reden hier nicht nur von einem neuen Login - die Sortierung ist auch dann weg, wenn man nur kurz auf einem anderen Reiter wie zum Beispiel der "Finanzübersicht" war.
  • Depotanteil von Einzelaktien: Die alte Vermögensaufstellung enthielt eine Spalte, in der der Depotanteil jedes Wertpapiers einzeln ausgewiesen war. Diese Funktion habe ich oft genutzt, um mein Depot zu balancieren. Inzwischen ist die Angabe in den Details verschwunden, so dass man sich durch alle Wertpapiere einzeln hindurchklicken muss.
  • Einstiegskurs nicht mehr sichtbar: Dasselbe Schicksal ist dem Einstiegskurs widerfahren. Auch dieser lässt sich nur noch in den Details finden, wodurch eine schnelle Übersicht unmöglich wird.
  • Kategorien ohne Anzeige von Gewinn und Verlust: Die alte Vermögensaufstellung hat den Gewinn oder Verlust für jede Kategorie einzeln ausgewiesen. So ließ sich zum Beispiel schnell feststellen, welche Branche gerade gut und welche schlechter lief. In der neuen Ansicht fehlt dieser Wert obwohl unter dem Gesamtwert sogar noch genug Platz für diese Information gewesen wäre.
  • Kategorien nicht mehr einklappbar: In der alten Vermögensaufstellung war es möglich, einzelne Positionen einzuklappen und lange Listen damit übersichtlicher und vergleichbarer zu machen. Auch diese Funktion ist entfallen.
  • Geld nicht mehr in der Vermögensaufstellung: In der neuen Vermögensaufstellung werden die Währungskonten nicht mehr angezeigt. Früher ließ sich daran in Kombination mit der ebenfalls weggefallenen Angabe über den Depotanteil leicht feststellen, mit wie viel Geld man gerade in Aktien ist und wo der Anteil von Barmitteln und Fremdwährungen liegt. Nun darf man sich diese Werte selber ausrechnen.

Verschlechterte oder umständlichere Funktionen

Zum Glück hat man uns nicht aller Funktionen beraubt. Aber auch dies ist für mich kein Grund zur Freude, da es keine meiner häufig benutzten Funktionen gibt, die nicht verschlechtert wurde. Hier eine Auswahl:

  • Login: Der Login des alten Online-Bankings benötigte lediglich eine Seite. Man hat seine Kennung und sein Passwort eingegeben, auf den Button geklickt und war drin. Heute dauert der Login dagegen dreimal so lang: Zuerst wird auf einer Seite nur die Kennung abgefragt, dann dauert es Ewigkeiten bis die nächste Seite geladen ist, auf der dann das Passwort abgefragt wird und anschließend kommt noch eine dritte Seite, auf der dann eine TAN-Abfrage erfolgt, die beim alten Banking nur ab und zu erforderlich war. Nach dieser Eingabe noch einmal das lange Laden, bis man endlich drin ist. Da die lange Ladezeit das Nadelöhr des Logins ist und diese beim alten Banking nur einmal nötig war, nun aber dreimal, verzögert sich der Weg ins Banking entsprechend.
  • Wertpapierkauf: Dieses Prinzip, den Nutzern durch Einzeleingaben die Zeit zu stehlen, zieht sich durch das ganze Banking. Besonders nervend wirkt sich dies beim Wertpapierkauf aus, bei dem sich früher fast alle Angaben bis zur Bestätigung/Zusammenfassung auf einer Seite machen ließen, während man sich nun durch endlose Seiten klicken muss. Besonders ätzend ist dies natürlich, wenn man Angaben ändern möchte und gezwungen ist, sich jedes Mal wieder von neuem durch den Vorgang zu arbeiten.
  • Direct Trade: Besonders ärgerlich sind die Änderungen in dem oft von mir genutzten Direct Trade, mit dem sich Wertpapiere direkt und ohne klassische Börsenorder ordern lassen. Das erste Ärgernis ist, dass die WKN oder ISIN gleich am Anfang der Kette an Screens angegeben werden muss, und sich danach nicht mehr ändern lässt, so dass der Aufruf bei mehreren Abfragen, Käufen oder Verkäufen immer wieder erneut von vorne durchlaufen werden muss. Im alten Direct Trade war eine Änderung auch noch auf der letzten Seite möglich (praktisch um die Kurse mehrerer Papiere zu vergleichen). Weiterhin konnten die Kosteninformationen im alten Direct Trade bequem einfach per Mouse Hover über dem Preis des Handelspartners eingeblendet werden. Im neuen Direct Trade sind die Kosteninformationen dagegen nur noch umständlich per Download als PDF-Dokument einsehbar. Das Schlimmste ist aber, dass man sich im neuen Direct Trade direkt zu Anfang festlegen muss, ob man kaufen oder verkaufen möchte. Dies hat die Konsequenz, dass man entsprechend auch nur noch die Kaufkurse ODER die Verkaufskurse angezeigt bekommt, nicht mehr beides gleichzeitig wie im alten Direct Trade. Mit anderen Worten, der Spread jedes Handelspartners ist nun nicht mehr zu sehen und muss umständlich über einen Drittanbieter eingeholt werden. Gerade diese Spread-Information war mir beim Handeln immer sehr nützlich und praktisch. Schön dagegen ist, dass im neuen Direct Trade zusätzlich zu den einzelnen außerbörslichen Handelspartnern zum Vergleich nun auch ein börslicher Kurs (in meinen Tests immer Frankfurt) eingeblendet wird. Dies macht die Handelsentscheidung einfacher, jedoch fehlt auch hier die wichtige Funktion über den Spread.

Neue Funktionen

Großmündig wurden mir in dem Brief der Deutschen Bank "viele neue Funktionen" versprochen. Gefunden habe ich davon jedoch nur eine, die erwähnenswert und nützlich ist:

  • Monats-Statistik: Nach all der Kritik muss ich auch eine neue Funktion hervorheben, deren Grundidee ich gut finde. Die sogenannte Monats-Statistik stellt graphisch die Einnahmen und Ausgaben der letzten zwölf Monate gegenüber. Auf den ersten Blick verwirrend ist nur, dass Wertpapierkäufe als Ausgaben zählen, obwohl diese ja eigentlich (von Kursschwankungen abgesehen) wertneutrale Bewegungen sind. Außerdem wäre es schön, diese Ansicht nicht nur auf die letzten zwölf Monate zu beschränken, denn interessant ist ja auch, wie sich die Einnahmen von Jahr zu Jahr entwickeln.

Eine andere Funktion, die "neu" ist und von der Deutschen Bank bereits postalisch als "Vorteil nach dem Upgrade" angepriesen wurde, ist die Möglichkeit, die Finanzübersicht individuell anzupassen. In der Praxis sieht das so aus, dass sich die Währungskonten, der Depotwert sowie eine Werbung ausblenden lassen, was ich natürlich nicht mache. Denn was soll sonst auf dieser Seite angezeigt werden, wenn nicht die einzelnen Konten und Depots?

Fazit

Die Deutsche Bank habe ich früher bei meinen Freunden und Bekannten stets dafür gelobt, dass Sie sich  eine Professionalität bewahrt hat, die in der heutigen Zeit selten geworden ist. Nach diesem Schritt kann ich die Deutsche Bank nicht mehr empfehlen.

Was ich mich jetzt natürlich frage ist, wie es weitergeht. Soll ich mir einen neuen Broker suchen? Soll ich darauf hoffen, dass wenigstens ein paar der alten Funktionen wieder auftauchen oder Verbesserung stattfinden? Oder gar darauf noch einmal in das alte Banking zurückzukommen (ein Traum)? Eigentlich war ich mit der Deutschen Bank immer sehr zufrieden und habe sie weiter empfohlen, gerade das macht mir die Entscheidung nicht leicht.

Ein Wertpapier habe ich zumindest nach der Umstellung bisher nicht mehr bei der Deutschen Bank gekauft und lieber eines meiner anderen Depots dafür verwendet, die vorher deutlich schlechter und inzwischen deutlich besser als das der Deutschen Bank sind.

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